Die Wahrheit tut jedem weh, vor allem dem Lügner!

„Du sollst nicht falsch Zeugnis reden wider deinen Nächsten!“, oder einfach gesagt: DU SOLLST NICHT LÜGEN!

Ein religiöses Thema? Oha! Wenn man genauer hin schaut, eigentlich gar nicht so religiös! Ich verstehe die kirchlichen zehn Gebote als eine Art unabdingbare gesellschaftliche Direktive zur Erziehung der verrohten Gesellschaft der letzten Jahrtausende und auch heute. Heute begegnen sie uns fest in unserer Gesellschaft verankert in vielerlei Gestalt, zB. in Kirchenritus, als ungeschriebenes Gesetz zwischen uns Menschen, aber auch in unseren Gesetzesbüchern.

Aber wird dieses achte Gebot gebrochen, erwächst daraus meist das schlimmste Leid, hat es für uns die schlimmsten Folgen! 

Zugegeben, die ersten drei Gebote sind heutzutage, wenn überhaupt, nur noch für Christen „geboten“. Das vierte („Du sollst Vater und Mutter ehren“), das sechste („Du sollst nicht ehebrechen“) und das zehnte („Du sollst nicht begehren deines Nächsten Weib, Knecht, Magd, Vieh noch alles, was dein Nächster hat.“) sind heutzutage jedem selbst überlassen und natürlich auch abhängig von unseren vergangenen (evntl. negativen) Erfahrungen mit unseren Eltern oder Beziehungspartnern etc., und unserer Einstellung zu ihnen. Das fünfte („Du sollst nicht töten“) und das siebte („Du sollst nicht stehlen“) werden durch unsere Gesetze und Gerichte streng geahndet. 

Das achte jedoch, hat ungehalten Einzug gehalten in unsere Gesellschaft, in die Menschen! DU SOLLST NICHT LÜGEN! Aber warum denn eigentlich nicht? Was ist so schlimm an der Lüge?

Lügt man, um jemanden nicht zu verletzen, tut man es doch! Lügt man, um die eigene Faulheit zu verschleiern, ist man dennoch faul! Lügt man, um sich selbst das Leben bequemer zu machen, geht dies immer auf Kosten des Belogenen! Lügt man um sich Ärger zu ersparen, ist man feige! Lügt man, um geliebt zu werden, liebt der andere ein Trugbild und die Liebe wird zu Schmerz! 

Alles, was die Lüge beinhaltet und mit sich bringt ist schlecht – für andere, aber immer auch für uns!

Mir nehmen schon die kleinsten Lügen das Vertrauen in den anderen. Wenn ich ihn kenne und weiß, in welchen Bereichen er lügt, gibt mir das zumindest die Sicherheit zu wissen, mit wem ich es zu tun habe. Aber dennoch ist mir ein Mensch der lügt, eigentlich zuwider. 

Natürlich lüge auch ich! Es gibt keinen Menschen der nicht lügt oder schon mal gelogen hat! Die Lüge wird ja nicht ohne Grund als „sozialer Kit“ bezeichnet. Auch gegen Übertreibungen bin ich nicht gefeit! Da ich ein sehr emotionaler Erzähler bin, oder auch, wenn ich mich provoziert oder angegriffen gefühlt habe und so meiner Erzählung mehr Gewicht oder mehr Nachdruck verleihen wollte. Als Resultat beim Gegenüber begegnet mir bei mir nahestehlenden Personen, bei Freunden, Bekannten oder Arbeitskollegen darauf hin dann immer mal wieder ein gewisses Misstrauen, was mich dann jedes Mal wieder aufs Neue erschüttert und auch daran erinnert, warum dies so ist! Ich versuche aber, mich davon immer mehr frei zu machen, denn auch bei mir selbst ist mir diese (wenn auch eher abgeschwächte Form der Lüge) zuwider!

Aber warum regt mich das Lügen genau so auf? Warum macht mich schon die kleinste Lüge oder Unwahrheit so wütend und warum reagiere ich innerlich mit solchem Unverständnis und Härte darauf?

Weil sie ungerecht ist! Weil sie den Belogenen veralbert und nicht für voll nimmt! Weil sie aus dem Belogenen ein Spielzeug macht! Sie schickt den anderen auf einen Irrweg. Sie nimmt dem anderen die faire Chance!

Leute belügen mich zB., weil sie Angst vor einer emotionalen, harten oder zu ungefilterten Reaktion haben. Oder weil ich ein Mensch bin, dem Unregelmäßigkeiten im Verhalten recht schnell auffallen und ich die Menschen dann fast immer damit konfrontiere. Dies wollen viele vermeiden und präsentieren mir lieber „Details“ die ich wissen „soll“. Damit bestimmen sie aber automatisch über mich, gängeln mich, entmündigen mich und spielen Gott! Und irgendwann verheddern sie sich unmerklich in ihre Details. Wenn mir das dann im Nachhinein auffällt, macht es die Lüge für mich nur noch schlimmer! Je unbedeutender die Lüge, desto schlimmer ist es für mich, desto mehr sinkt mein Ansehen von diesem Menschen immer ein Stück mehr. Aber ein UNREPARABLES STÜCK! Denn, wenn mich jemand beleidigt oder mir etwas stiehlt, wenn mir jemand fremdgeht, meinen Besitz begehrt, ist das zwar schmerzhaft, aber das alles ist irgendwie noch reparabel! (Meine Tötung natürlich nicht, daher lasse ich das fünfte Gebot hier mal außen vor).

Lügt aber jemand, kann er im Nachhinein zwar die Wahrheit sagen, jedoch ist das Erfahren der Wahrheit nicht die schlimmste Verletzung, die man von der Lüge davonträgt. 

Die schlimmste Verletzung ist, dass man dem anderen danach nicht mehr vertraut, ja ihm gar automatisch misstraut in immer mehr Dingen, dass man keinerlei Erwartungen mehr an ihn stellen kann, man sich auf sein Wort nicht mehr verlässt, sich seiner Hilfe nicht mehr sicher sein kann, sich seiner Liebe nicht mehr sicher sein kann, man den Respekt vor dem anderen verliert… Ich könnte das jetzt ewig so weiter machen!

Da wir aber alle lügen, und ich nicht erwarten kann, dass andere das mit dem Lügen so sehen wie ich, musste ich irgendwie mit der Lüge umgehen lernen. Um das tun zu können, habe ich mich also mit den unterschiedlichen Lügen die mir begegnen beschäftigt, und habe sowohl eine Hierarchie entwickelt, als auch eine Grenze gesetzt, an die ich mich halten und hinter die ich nicht zurückweichen werde! Aus Selbstschutz, und auch, um mir die mit der Lüge einhergehende dauerhafte Enttäuschung, zu ersparen!

Kurz noch eine kleine „Einschränkung“ vorab: 

Ich beschreibe im Folgenden in diesen drei Stufen Menschen, die in meinem näheren Umfeld (Job, Hobby), die meine Freunde, mein Partner oder meine Familie sind! Von wildfremden Menschen zu erwarten, dass sie einen nicht belügen, wäre höchst illusorisch und naiv. Es würde zudem gegen die Jahrtausende alten sozialen Konventionen verstoßen und das gesellschaftliche Zusammenleben massiv gefährden!

 

Die erste Stufe: 

Lügen, um sich situativ Ärger zu ersparen!
Lügen aus situativem Minderwertsgefühl!
Lügen aus situativer Angst oder Scham!

Ich verstehe sehr oft schon die Motive nicht, aus denen Menschen mich in teilweise völlig banalen oder unwichtigen Dingen belügen. Situativ kann ich es jedoch verstehen, zB. wenn jemand oder ich selbst mich in einer emotionalen Situation befinde und man mich IN DIESEM MOMENT durch die Lüge schonen möchte, oder auch das lügende Gegenüber sich selbst – ich kann schon sehr wütend und verletzend sein wenn ich emotional aufgeladen bin. Aber dies muss unbedingt mit der Absicht geschehen, mir zum nächstmöglichen Zeitpunkt die Wahrheit zu sagen. Passiert das nicht, wird aus dieser situativen Schonung eine dauerhafte Schonung, und die ist Betrug an meiner Person! Genau so verhält es sich mit dem Minderwertsgefühl. Wenn man von einem anderen in einer Situation unangenehm konfrontiert wird, man aber weiß, dass man in dem Moment einfach nicht mithalten kann (menschlich oder materiell). Oder wenn man durch das Bekenntnis zur Wahrheit in demütigender Weise dadurch situativ schlechter gestellt ist, kann ich es nachvollziehen, wenn man über die eigene finanzielle oder menschliche Situation lügt. Genauso verhält es sich mit situativer Angst und Scham. 

[  Hier liegt eine erste Grenze, an der in meinem Inneren das Ansehen des anderen beginnt fühlbar und irreparabel zu sinken und ich verliere mit jedem Mal mehr den Respektv vor ihm! Jedoch kann ich mich trotzdem noch mit diesem Menschen umgeben, wenn ich einschätzen kann oder weiß, warum er in dieser momentanen Situation lügt. Ich kann es verstehen, weil auch ich aus diesen Gründen in der Vergangenheit gelogen habe, und manchmal aus Emotionalität auch noch tue – wenn auch ungewollt! ]

 

Die zweite Stufe: 

Lügen aus Bequemlichkeit!
Lügen aus Eitelkeit oder Egoismus!
Lügen aus Narzissmus!

An dieser Stelle beginnt es, dass mir bei dem Gedanken an diesen Menschen latent schlecht wird. Wenn die Bequemlichkeit des anderen von mir Kapazitäten (menschlich, emotional oder materiell) fordert, die ich eigentlich nicht habe, ihm dann aber in gutem Glauben aufgrund seiner Lüge gebe, dann ist das etwas, was der andere mir wegnimmt, etwas was mir fehlen wird und was nie mehr zurück kommt. Belügt mich jemand aus Eitelkeit, Egoismus oder Narzissmus ist das etwas, was mich direkt wütend macht. Er baut in mir ganz bewusst ein falsches Bild von sich auf. Ein erfundenes Bild von Kompetenz, Habitus, Fähigkeiten oder Charakterzügen, auf das ich mich mit der Zeit verlasse, auf das ich baue und vertraue. Aber all das ist automatisch auf Sand gebaut und stürzt zwangsläufig ein. Die Lüge fliegt auf. Aber dann stehen die Lüge und das dahinterstehende Motiv schon lange nicht mehr in Relation zu dem durch sie entstandenen Vertrauensschaden in mir. Die Täuschung über die Person, deren Möglichkeiten und Kapazitäten, deren Fähigkeiten oder Charaktereigenschaften ist eine Täuschung IM GANZEN MENSCHEN. Eigentlich hat man es mit einem ganz anderen Menschen zu tun. Einem, der meine Ressourcen (menschlich, emotional oder materiell) nicht als wertvoll respektiert und sie sich nimmt, einfach nur, weil er zu bequem ist, mir etwas zu geben. Indem er aus Narzissmus, Egoismus oder Eitelkeit mit Hilfe von Lügen das Bild eines Menschen abgibt, das nicht der Wahrheit entspricht, täuscht er mich über seine Person und erschüttert so mein Vertrauen irreparabel! 

[  Hier liegt meine ganz persönliche Grenze, an der ich mich von diesem Menschen – bei wiederholten und generellen Lügen aus diesen Motiven – abgestoßen fühle. Je nach Schweregrad der Lüge bewegt es sich von beginnender Abscheu bis hin zu starkem Ekel. Je niederer das Motiv der Lüge aus Bequemlichkeit, Egoismus, Eitelkeit oder Narzissmus im Vergleich zu dem auf meiner Seite liegenden Aufwand oder Schaden ist, desto höher der Schweregrad. Wenn ich Ekel empfinde, kann ich den Menschen gehen lassen. Wie bei einem Gericht vor dem man sich ekelt und was man sogar verschmäht, wenn man großen Hunger hat. Ekel sticht alles! An diesem Punkt habe ich schon einige Menschen verlassen. Und Verlassen fällt mir eigentlich schwer! ]

 

Die dritte Stufe:

Lügen aus genereller Feigheit!
Lügen aus generellem Hedonismus oder Opportunismus!
Lügen aus genereller Bosheit, Rache oder Sadismus!

Für diese Form der Lüge habe ich keinerlei Verständnis! Denn ich habe noch nie in meinem Leben aus einer dieser Gründe gelogen. Feigheit wird definiert als „eine kritisch gesehene oder vorwerfbare Neigung, sein Handeln durch Angst oder Furcht bestimmen zu lassen“. Auch hier gilt wieder: je niederer das Motiv, desto schlimmer der Schaden. Hier kommen wir in den Bereich, wo die Lüge zu einem Ausnutzen, Benutzen oder sogar zu einer bewussten Schädigung wird, nur um körperliche oder emotionale Triebe meist kurzfristig zu befriedigen. Die Lüge ist der Schlüssel zu dieser Befriedigung.

Die Formulierung „aus Angst oder Furcht“ in der Definition verursachen mir dennoch einen kleinen Stich im Herzen! Denn ein Mensch, der lügt, weil Angst oder Furcht all seine Handlungen bestimmen, hat automatisch mein Mitgefühl! Auch, weil ich selbst ein solcher Mensch war und auch noch in Teilen bin. Jedoch kann ich sagen, dass ich aus genereller Feigheit noch nie einen anderen Menschen geschädigt habe, außer mich selbst – weder materiell noch emotional! 

Wenn jemand aus Angst vor Nähe in einer Liebesbeziehung über seine eigenen Gefühle beim anderen lügt, oder wenn er aus Eitelkeit oder vergangener Verletzung Menschen miteinander vermischt und dann den einen stellvertretend für den anderen über die eigene Verwundbarkeit oder die eigenen Gefühle belügt, dann betrügt er ihn um etwas. Dann verletzt er ihn mit emotionaler Distanz. Dann enthält er ihm Liebe vor, die jeder von uns braucht – selbst der Lügner! Wenn man den anderen belügt, um ihn materiell weiter ausnutzen zu können, oder für den gesellschaftlichen oder sozialen Status, der mit ihm einhergeht, dann ist man ein Nassauer, ein Parasit, ein Schädling für jeden anderen Menschen. Denn solche Menschen wissen, das sie mit ihren Lügen andere schädigen, dass sie dem anderen mit der Lüge etwas wegnehmen, vorenthalten, oder ihn um etwas betrügen. Nämlich um die Möglichkeit, sich nicht selbst zu schädigen – egal ob materiell, emotional oder sozial. Kommt eine solche Lüge ans Licht, sehe ich diesen Menschen nur noch als etwas, was ich nicht in meiner Nähe haben möchte. Etwas, was ich ganz bewusst offen ablehne! Denn es ist etwas, was ich aus tiefstem Herzen NICHT bin!

 

Die Wahrheit tut jedem weh, vor allem dem Lügner! 

Aber dieser Mensch hat sich dazu entschieden, die Wahrheit für seinen materiellen, emotionalen oder sozialen Vorteil beim vertrauensvollen Gegenüber ganz bewusst zu verfälschen oder zu verdrehen! Oder aber, er hat sich dazu entschieden, lieber feige zu sein. Die Angst oder Furcht vor der Wahrheit ist größer! Deshalb lügt er immer weiter, nur um keinen materiellen, emotionalen oder sozialen Nachteil zu haben. Dieser Mensch hat sich dazu entschieden, die vom Belogenen sehr oft freiwillig gegebenen Dinge (Liebe und Zuneigung, emotionale Kontrolle, Geld, Zeit, Geduld, Verständnis, Rücksicht, Macht…) mithilfe einer Lüge zu erlangen, und nimmt damit ganz bewusst die materielle, emotionale oder soziale Schädigung des anderen Menschen in Kauf!

Wer aus diesen Motiven lügt, entscheidet in hochsensiblen und wichtigen zwischenmenschlichen Bereichen ganz alleine darüber, was die Wahrheit ist und was nicht, indem er sie, ganz auf den eigenen Vorteil und das eigene bessere Fortkommen ausgerichtet, beliebig für sich immer wieder neu definiert! 

Er muss nicht mal selbst daran glauben. Er muss nur gut lügen und seine wahren (niederen) Motive gut verschleiern können! Sieht er dann noch gut aus, ist eloquent oder hat eine körperlich oder geistig machtvolle Ausstrahlung, ist er auf jeder gesellschaftlichen Ebene eine „König“! Ein vermeintlicher „Gewinnertyp“! 

Und selbst wenn er im Leben nicht wirklich etwas erreicht, wird der Glaube an seine eigenen Lügen ihn sein Leben, seine menschliche Isolation, seine Einsamkeit, seine Erkaltung, seine Unfähigkeit zur Rückkehr auf einen ehrlicheren Weg ertragen lassen! Denn unser menschliches Gehirn ist nun mal anatomisch so angelegt, dass es reale Erinnerungen und die Lügen über uns selbst irgendwann vermischt, wenn nur genug Zeit ins Land gegangen ist oder wir sie oft genug erzählt haben! 

Das ist bei uns allen so! Auch bei den „Wahrheitsliebenden“! Aber wenn wir versuchen, unsere Lügen in der Gegenwart so zu minimieren, das ihre Motive situativ und nachvollziehbar bleiben und andere nicht bewusst schädigen, und wir sie, wenn sie passiert sind, bei den uns nahestehenden Menschen, die wir in der Situation belogen haben, aufklären – vor allem wenn sie uns von Anfang an darum bitten – dann ist schon viel gewonnen! Zumindest für mich!

 

Lügen sind das Gift, mit dem wir uns selbst, den Anderen und unsere ganze Gesellschaft vergiftet haben! Sie vergiften unsere Beziehungen, unsere Familien, unsere Freundschaften. 

In jedem Fall aber sind die kleinen, alltäglichen, die feinen und bewusst wohlplatzierten, die geübten und so wohlvertrauen, die bequemen und feigen Lügen die, die am meisten Schaden anrichten! Sie nehmen anderen das Vertrauen in uns, nagen an unserem wahren Selbst und zerstören unsere Fähigkeit, uns mit der Wahrheit zu konfrontieren und von ihr zu lernen!

Denn nur so können wir Menschen überhaupt etwas über uns selbst lernen! So wachsen wir! So werden wir weise! Und nur so können wir überhaupt nur innere Ruhe und Zufriedenheit finden!

Bis wieder. 
Bis bald.

posted by
Die Nachdenkerin