Normalität ist die Exzentrik von morgen

Ich weiß nicht mehr, wo genau mir dieser Satz begegnet ist, aber er hat mich zum Nachdenken und auch zu diesem Blogbeitrag angeregt. Heute ist Dienstag und ich habe es gestern erfolgreich geschafft, meine allwöchentliche „After-Wochenend-Depression“, die ich eigentlich sonst immer montags habe, einfach zu „verschlafen“. 

Mein Leben besteht seit einiger Zeit aus viel Zeit alleine und kräftezehrenden, intensiven und für mein Alter schon recht exzentrisch gelebten Wochenenden, die voller wechselhafter Erlebnisse sind, die mich dann regelmäßig, wenn sie vorbei sind, vor lauter Erschöpfung in diesen „tiefen Schlaf“ sinken lassen. Ich führe seit ein paar Jahren eine exzentrische Wochenendbeziehung! Wir beide – er und ich – sind, weiß Gott, kein typisches Pärchen, mit der für Pärchen typischen Pärchentimeline! Wir beide streben diese Art von „Normalität“ in Beziehungen aufgrund unserer beider Persönlichkeitsstruktur nicht wirklich an. Jedoch aus völlig unterschiedlichen Gründen! 

Ich hatte schon mal 7 Jahre lang diese „Normalität“ in einer Beziehung. Alles entwickelte sich damals wie selbstverständlich nach diesem, uns allen gut bekannten, „unsichtbaren Drehbuch“. Die typische Entwicklung des sich Kennenlernens und sich Näherkommens, dann die gemeinsame Wohnung, und dann dieses selbstverständliche „familiäre“ Zusammenleben und -wachsen als Paar. So wie bei allen anderen auch. Alles ganz normal eben! Ich spürte bei diesem Mann aber schon von Anfang an, dass er nicht mein Mensch fürs Leben sein kann und nie sein würde – ich konnte mir mit ihm zum Beispiel kein gemeinsames Kind vorstellen. Der Gedanke daran ließ mich innerlich erschaudern. Trotzdem lebte ich weiter mit ihm auf diese Weise ganze 7 Jahre meines Lebens zusammen. Aber in mir wuchs unaufhaltsam ein innerer Widerstand gegen ihn, gegen dieses/unser Leben und unsere mögliche gemeinsame Zukunft. 

In Wahrheit lehnte ich diese automatisierten, schon alles Zukünftige irgendwie gleich automatisch mit festschreibenden Lebensbahnen, in die ich mich mit ihm begeben hatte, eigentlich ab. Ich konnte ihn zB. nicht in meine ganz persönliche Vorstellung von einer „Zukunft“ integrieren. Ich konnte ihn mir dabei nicht an meiner Seite vorstellen. Er passte einfach nicht. Im Außen zeigte sich das dadurch, dass ich anfing, etwas für mich eigentlich Untypisches, „Unnormales“ zu tun. Während ich mit ihm zusammen war, küsste ich andere Männer, ich verliebte mich sogar in einen anderen Mann, und ich hatte damals dabei auch keinerlei schlechtes Gewissen! 

Denn ich tat das nicht, weil etwas in der Beziehung nicht stimmte, sondern ich ging gefühlt ja immer nur dieser erdrückenden „Normalität“ fremd, die ich für meine Person einfach nicht als passend akzeptieren konnte. 

Denn „normal“ war ich nie! Nichts in meinem Leben verlief bis dahin normal. Nicht meine Kindheit und meine Persönlichkeitsentwicklung, mein schulischer Werdegang, nicht meine familiären Verhältnisse, nicht die Liebe. Alles war immer wieder – hier und da auch recht schmerzhaft – von der „Normalität“ abgewichen! Und ich konnte mich nach und nach mit diesem Umstand auch ganz gut identifizieren! Denn ich wollte ja auch gar nicht normal leben, ich wollte nicht „Standard“ sein. Einfach weil ich mich selbst nicht als einen Menschen empfand, der mit so etwas glücklich sein könnte. Dann lieber „exzentrisch“ als „normal“!

Mir taten diese Menschen damals irgendwie leid, die sich mit ihrer Entscheidung für diese gelebte „Normalität“ in meinen Augen auch automatisch für ein Leben in diesen für mich kleinen, engen, vorgeschriebenen Bahnen, für ein Leben ohne echte Entwicklungsmöglichkeiten, ohne Freiheit in den zukünftigen Lebensentscheidungen, entschieden hatten. 

Denn nur die „Normalität“ zu leben, war für mich eine klare Entscheidung dafür, sich dauerhaft mit einem „zu wenig“ zufrieden zu geben! 

Gerade in Liebesbeziehungen war dieses „zu wenig“ für mich die Entscheidung eines Menschen, seine Beziehung von allgemein gelebten Standards bestimmen zu lassen! Man muss jetzt heiraten. Man muss dann Kinder bekommen. Man muss sich als Paar dann zwingend auch in das soziale Leben integrieren, mit all seinen Regeln und Standards, mit all den „Mitgliedschaften in Fußballvereinen“, den Kaffeekränzchen und Mädels- und Herrenabenden mit Prosecco und Whiskey oder Bier. Dann musste man irgendwann abstumpfen und sich für selbstverständlich nehmen, bis man irgendwann wie Geschwister nebeneinanderher lebt. Ende! So ist es doch normal, oder? Menschen, denen das genug war, ja die damit sogar glücklich waren, konnte ich damals nicht wirklich ernst nehmen. Sie waren für mich irgendwie blind und ihre Leben waren am Ende für mich nicht wirklich gelebt, ja sogar verschwendet! 

So wollte ich nicht sein! So konnte ich nicht sein! Die Vorstellung von einem solchen „banalen“ und „standardisierten“ Leben war für mich langweilig und beängstigend. Ein solches Leben war Verschwendung, ein solches Leben war ein ungelebtes Leben! 

Mein (Liebes-)Leben sollte interessant und spannend, emotionsgeladen und romantisch bleiben – eben lieber „exzentrisch“ als „normal“. 

Warum ich mich aber Anfang zwanzig dann, trotz all meiner beschriebenen Erkenntnisse, ganz bewusst genau für eine solch „normale“ Beziehung entschied, weiß ich nicht mehr genau zu sagen. Es war damals jedenfalls eine wilde Zeit, ich hatte verrückte Freunde und ein Privatleben, was sehr unstet war. Und ich war alleine, hatte einen starken Wunsch nach Nähe und nach gelebter Zweisamkeit. Ich sehnte mich nach Ruhe, Konstanz, Einfachheit und Verlässlichkeit – trotz all der Andersartigkeit und Exzentrik meiner Person in Fühlen, Erleben und Wünschen! Die Erfüllung dieser Bedürfnisse schien es mir aber zu diesem Zeitpunkt wert zu sein, dieses allgegenwärtige „zu wenig“, was ich mit dieser „Normalität“ verband, für mich als unweigerliche negative Folge, als eine Art Preis dafür, zu akzeptieren. Ich musste mich, meiner damaligen Ansicht nach, zwischen meiner „Exzentrik“ (dem Wunsch nach einem interessanten, besonderen (Aus-)Leben & Lieben) und meiner Sehnsucht nach „Normalität“ (dem Wunsch nach Sicherheit, Vertrautheit, Kontinuität, Verlässlichkeit und Regelmäßigkeit in Liebe & Leben) entscheiden. Es schien für mich unvereinbar zu sein. Denn ich hatte bislang ja auch keinen Menschen gefunden, bei dem ich beides hätte haben können. Also blieb mir nur diese ganz bewusste Entscheidung für ein „zu wenig“ – für mich eine bewusste Entscheidung für meine Vorstellung von „Normalität“!

In meinem Fall traf das „zu wenig“ auch wirklich zu. Dieser Mann war wirklich in allem „normal“. Er war ein guter, ehrlicher, verlässlicher und lieber Mann aus einer völlig gesunden Familie. Er stand zu der Beziehung und zu mir und hätte diese ganze „Normalität“ mit mir bis zum bitteren Ende durchgezogen. Für ihn war diese „Normalität“ und die Entscheidung für mich etwas, was er für sein restliches Leben akzeptieren konnte, eben die Spitze seines Beziehungsberges – seine Obergrenze. Für ihn war das alles so okay wie es war. Er konnte sich damit zufrieden geben und in dieser Situation verweilen – egal was kommen würde.

Für mich fühlte sich das Ganze aber leider völlig anders an! Ich hatte damals einfach nur das Gefühl, ich würde für ein Leben mit ihm alle Möglichkeiten, die sich mir zukünftig bieten und mich zwischenmenschlich mehr erfüllen würden, wegwerfen. „Normalität“ stand für mich in Wirklichkeit ja für Langeweile und Stillstand. Nur „Normalität“ war mir für mich als gelebte Obergrenze zu wenig! Und sie sollte nicht ausschließlich das sein, auf das ich am Ende meines Lebens zurückschauen wollte. Ich hatte das Gefühl, dass ich dann unglücklich darüber sein werde, dass ich so mein Leben dann nicht wirklich ausgekostet hatte, dass ich darüber enttäuscht sein würde, mich nur mit diesen „zu wenig“ zufrieden gegeben zu haben! 

Das Alltags-Leben (Job & Karriere) zeigte mir mit den Lebensjahren dann meine Grenzen. Hier kehrte die „Normalität“ auf ganz natürliche Weise in mein Leben ein, und ich konnte es irgendwann als gegeben hinnehmen, dass sich meine teilweise sehr exzentrischen Vorstellungen vom Leben, nicht in allem realisieren oder leben lassen würden. Ich konnte das auch in fast allem akzeptieren, nur eben nicht in der Liebe! Die Liebe war für mich das Wichtigste im Leben. Der Schlüssel zu allem! Zum Glück! Zur Erfüllung! Und der Motor, der alles antreibt, alles andere schöner macht, und manches sogar erst möglich! 

Ich hätte ihn vielleicht geheiratet und mit ihm Kinder bekommen, wäre er ein exzentrischer Mensch wie ich gewesen! Denn dann wäre auch für ihn die gelebte „Normalität“ nicht die Obergrenze, sondern unsere ganz persönliche „Extravaganz“ gewesen. Aber er war nun mal ein Mensch, für den das Erreichen der „Normalität“ schon die gewünschte Obergrenze darstellte. Für mich ging es da aber erst los mit dem Leben!

Das passte nicht zusammen und würde nie zusammen passen! Ich denke, das war es, was ich von Anfang an bei ihm auch gespürt habe! Ich habe mich von diesem Mann dann schließlich aus einem ganz banalen Grund getrennt. Es war das erste Mal, dass ich selbst einen Schlussstrich unter eine Beziehung gezogen habe. Ich hatte vorher noch nie Schluss gemacht. Aber ich machte ja auch nur mit der „Normalität“ Schluss und nicht mit ihm! Daher fiel mir der Abschied von diesem Leben und dieser „potenziellen Zukunft“, die ich mir für mich nicht vorstellen konnte, vielleicht auch nicht ganz so schwer, wie es nach 7 Jahren hätte sein sollen. 

Zurück zur Gegenwart. Der Mann mit dem ich heute zusammen bin ist er erste, mit dem ich mir in meinem „exzentrischen“ Leben „Normalität“ wirklich wünsche! Sie fehlt mir zum ersten Mal! Eine völlig neue Erfahrung!

Es war bei uns keine Liebe auf den ersten Blick! Er ist attraktiv und wahrlich kein langweiliger „0815-Mensch“. Er hatte offensichtliche Probleme mit dem Leben, und ich sah deutlich, dass diese Probleme in vielen Teilen identisch mit meinen waren. Unter anderem war auch bei ihm da diese Angst vor gelebter „Normalität“ – weil sie nach seinem Gefühl einfach nicht zu ihm passte! Ich erkannte mich sehr selbst in ihm wieder, und trotzdem ergänzte er mich charakterlich in den Dingen, in denen wir sehr unterschiedlich waren. Denn er war vorsichtig, rücksichtsvoll, zurückgenommen, überlegt, emotional beherrscht, und dann wieder völlig unverhohlen emotional – wenn er betrunken war. Er weinte dann offen, wo ich innerlich weinte. Er weichte mich so nach und nach auf. Und er brach mich auf, mit seiner konsequenten Andersartigkeit. Er war die personifizierte Ambivalenz, und genauso exzentrisch wie ich! Und plötzlich war da eine mögliche Zukunft mit einem Mann, ohne diese Angst vor dieser vorherbestimmten „Normalität“, vor dem „zu wenig“, vor diesem banalem „Standard“. Er war so exzentrisch, dass für mich – würde hier nun noch „Normalität“ hinzukommen – dieser Beziehung nichts mehr fehlen würde! 

Ich entschied mich daher ganz bewusst für ihn – für ihn als Mensch, mit all seiner herrlich vertrauten, erfrischenden Andersartigkeit, aber auch für ihn als einen Menschen mit großen Problemen! Ich verliebte mich bedingungslos! Mit ihm war für mich auf natürliche Weise alles möglich! Die Probleme würden sich schon einstellen, wenn auch er endlich sehen würde, dass ich so bin wie er, dass er deshalb von mir nichts zu befürchten hatte. Ich wollte all das, was ihm solche Angst machte, auf diese Weise ja auch nicht! 

Ein guter Start, möchte man meinen! Aber wie es im Leben so ist, gibt es ja bekanntlich immer einen Haken!  

Denn, wie ich nach und nach schmerzlich heraus finden musste, ist mein exzentrischer Freund ein Mensch, der Angst vor Nähe und Beziehungen hat. Beziehungen sind für ihn – unabhängig vom Gegenüber – seiner Erfahrung nach nur blinde Verpflichtung gegenüber einem anderen Menschen und automatisch mit der totalen Selbstaufgabe der eigenen Person verbunden. Das war sein Bild von gelebter „Normalität“. Er hatte selbst noch nie eine dieser „normalen“ Beziehungen wie ich sie hatte – warum auch immer. Mein Freund hat eine Depression, um die er weiß, die er aber seit Jahren an den Wochenenden mit Alkohol zu kompensieren versucht. Er lebt das Leben eines ewigen Junggesellen und denkt, er braucht das auch unbedingt für sich, um sich frei und unabhängig zu fühlen. „Normalität“ in Beziehungen setzt er zudem gleich mit der eher konservativen Beziehung seiner Eltern, was er für sich/für uns in allem strikt ablehnt und daher boykottiert/bekämpft. Er hat große Schwierigkeiten, mir gegenüber ein „Ich liebe dich“ zu äußern, egal ob in Geste, Wort oder Schrift. Alles ist für ihn, als würde er sich jemandem „verpflichten“, oder ein ihn zu sehr bindendes Versprechen an diesen abgeben. Er ist, denke ich, vielleicht irgendwann mal selbst enttäuscht worden, als er versucht hatte, das ein oder andere Mal von seinem exzentrischen Weg abzuweichen. Er hatte die „Normalität“ vielleicht bewusst gesucht, ihre Negativfolgen für sich als Preis akzeptiert, aber sie dann vom gegenüber unerwartet verweigert bekommen. Er hat sich vielleicht aus Enttäuschung und Resignation noch bewusster für dieses „exzentrische“ Leben entschieden, und gegen die „Normalität“. Als ich das zum ersten Mal bei ihm bemerkte, war ich sehr schockiert und auch davon abgeschreckt! 

Denn das, für das er sich entschieden hatte, war für mich ein deutlich erkennbares und riesiges „ZU WENIG“! Das ist es für mich bis heute geblieben! 

Ich habe Gott sei Dank mittlerweile erkannt, dass ich mich damals, was meine Meinung über „Normalität“ betrifft, getäuscht habe! Denn, Normalität ist die Exzentrik von morgen! Sie ist in der heutigen Zeit eine Art besonderer Luxus, den man sich gegenseitig schenken sollte. Kein allgemeiner Standard, nichts was einengt, sondern eine Entscheidung, mit dem „exzentrischen Anderen“ sein Leben eben auch in „Normalität“ zu teilen. Denn „Normalität“ ist das Erleben von Sicherheit und Geborgenheit, blindem Vertrauen, dass freiwillige „sich-einem-anderen-öffnen-Wollen“, das „natürliche emotionale Verschmelzen“. Sie ist diese innere Ruhe, die einem nur das „endlich irgendwo angekommen sein“ geben kann. Eine Rast, die zu einem freiwilligen Bleiben wird, weil der Mensch, bei dem man gerade ist, einem das gibt, was man sich von dem Ziel versprochen hat, weswegen man losgelaufen ist. Eben die Entscheidung, dass der andere Mensch, gemessen am restlichen Leben, die Obergrenze ist, die man für sich akzeptieren will und auch kann! 

Denn so besonders und speziell wir heute auch alle sein mögen, und so „exzentrisch“ und individuell wir uns auch heraus nehmen können zu leben, haben wir alle doch trotzdem diese Sehnsucht nach „Normalität“. Eben diesen Traum von dem einen so vertrauten Menschen, bei dem man sich komplett fallen lassen kann, ohne Angst davor verletzt oder abgelehnt zu werden, weil er einen mit allen Macken kennt. Einen Mensch der bleibt und einen, trotz allem was er von einem weiß und kennt, liebt und begehrt. Diese Sicherheit, die von der Gewissheit ausgeht, dass der andere sich für ein Leben mit uns entschieden hat. Auch wahre Intimität ist Folge dieser gelebten „Normalität“. 

„Normalität“ ist nicht einengend, wenn man sich dazu entscheidet, sie als eine Art bewusste Entscheidung zu verstehen. Als eine „Exzentrik“, in der heute so normal gewordenen völligen Individualität unseres Seins . Als eine Art natürlichen Umgang miteinander, der Vertrautheit schafft, der Sicherheit gibt, der Geborgenheit schenkt. 

Nur in einer gelebten „Normalität“ mit einem anderen Menschen kann man sich doch erst mit der Zeit fallen lassen, kann man wirklich man selbst sein – ganz ohne Masken der Angst und Komplexe! 

Ich habe dieses Wochenende mit meinem Freund über Liebe und ihre Äußerungsform „gestritten“. Ich habe mich darüber beschwert, dass mir ihre Äußerung von seiner Seite fehlt, dass ich sie bei ihm nicht sehen kann, weil er sie in allem zurück hält, warum und in was auch immer! Seit Jahren können wir uns, aufgrund seiner Entscheidung alleine und weiter weg zu leben (3/4 Std. Autofahrt), nur an den Wochenenden sehen. Und das auch noch mit weiteren Einschränkungen, denn in dieser Wochenendzeit lebt er, neben der Beziehung, auch noch sein ganzes anderes soziales Leben (Freunde, Hobby, Familie) aus. Wir haben uns in den letzten Jahren irgendwie – obwohl es vielleicht so aussah – aber nie wirklich voneinander lösen können. Beide nicht! Ganz so, als sei man nun doch scheinbar, auch wenn man es sich nicht eingestehen möchte, an dieser persönlichen Obergrenze irgendwie angelangt. 

Ich kann mir das eingestehen. 
Er leider nicht! 

Seine Gründe kenne ich nur teilweise, denn ich scheue mich, ihn offen darauf anzusprechen, um nicht zu hören: „Weil ich einfach denke, dass für mich noch etwas Passenderes kommt als das mit dir!“. Ich leide darunter, dass er sich nicht auch auf die gleiche natürliche Weise einfach für eine gelebte „Normalität“ mit mir entscheidet, wie ich das getan habe und wie ich es (trotz der vielen negativen Dinge, die ich mit ihm erlebe und erlebt habe) jeden Tag tue. Ich sehe ihn fast regelmäßig am Wochenende, dann trennen sich unsere Wege wieder und auch unsere Leben. Nichts ist greifbar, nichts kann sich entwicklen, alles steht seit Jahren einfach still, wie eingefroren. Es gibt keine „Normalität“ zwischen uns, weil sie für ihn – im Gegensatz zu mir – einfach mit mir nicht denk- oder realisierbar erscheint. 

Und dann kommt nach jedem Wochenende diese tiefe Traurigkeit in mir hoch. Dieses Gefühl, schon alleine durch diesen rein „theoretischen“ Umstand, permanent und völlig unnötigerweise so viel Schönes zu verpassen! Gemeinsame wunderschöne und tiefe Erlebnisse, das Gefühl von Sicherheit, Geborgenheit, völligem Vertrauen und diese wundervollen gemeinsamen Erlebnisse, die eine gelebte „Normalität“ zwischen uns hervorbringen könnte!

Ich weiß, dass ich immer dann ganz besonders traurig bin, wenn ich aus diesen Wochenenderlebnissen auftauche und rückwirkend auf sie zurückschauen muss, wenn ich sie in mein Leben irgendwie als Erfahrung „integrieren“ muss. Und das für mich so Schlimme ist, ich empfinde mein Leben dann, trotzdem wir uns gesehen und schöne Dinge erlebt haben, meist als leer. Es sieht dann so aus, als hätten wir trotz allem Nichts. Ich bin in einer Beziehung, in der mich diese von ihm bewusst erzeugte Distanz – diese Ablehnung jeglicher „Normalität“ – diese gelebte „Beziehungsexzentrik“ traurig macht. Und ich spüre deutlich, dass ihre langsame, fast kaum feststellbare Entwicklung mir weh tut und meine Energie frisst. Ich lebe eine Beziehung, in der ich scheinbar nicht die Obergrenze bin. Und ich weiß auch, dass ich hier noch eine gewisse Zeit bleiben werde! Entweder, weil diese minimalen „Veränderungen“ in meine Richtung weiter gehen und so meine Hoffnung weiter nähren, oder weil die kleinen, schönen Erlebnisse ohne Entwicklungspotenzial zwischendurch meine Unzufriedenheit für eine kurze Zeit „betäuben“. Für einen Tag „Lieber den Spatz in der Tasche…“, wie es so schön heißt. Aber dann kommt immer wieder die Realität. Ganz so, als würde jemand im Karussell des persönlichen Erlebens irgendwo eine Bremse ziehen, und damit alles wieder zum Stillstand bringen, damit man es sich möglichst genau anschauen muss! 

Ich erkenne dann, dass mir, bei all der „Exzentrik“, mit der wir unsere Beziehung auf seinen Wunsch hin führen, trotzdem diese „Normalität“ fehlt, und alles was mit ihr verbunden ist. Und nach ein paar Tagen des Stillstandes, setzt es sich dann wieder langsam in Bewegung, das Karussell der Wünsche, Hoffnungen, Sehnsüchte! Und alles beginnt von vorne, bis es dann wieder ausgebremst und auf Anfang gesetzt wird. Es ist mittlerweile fast unerträglich für mich! Dann sind sie wieder da diese Montage. Diese Tage die ich hier in diesem Blog schon andernorts beschrieben habe. Diese schlimmen Tage, die man einfach aushalten und irgendwie vorbei gehen lassen muss. Diese Tage voller Zweifel und Angst vor dem Alleine sterben, vor dem „irgendwann-mit-Allem-alleine-sein“, diese „leere“ und einsame Zukunft, die sich einfach nicht füllen will, weil ein anderer etwas dagegen hat! Mittlerweile erkenne ich es sehr schnell wenn sie da sind, diese Tage. Ob mir dieses frühe Erkennen wirklich hilfreich ist, weiß ich nicht. Es fühlt sich eher wie ein Fluch an. „Es geht vorbei. Schau es nicht so genau an. Es ist nur ein momentanes Gefühl!“, sind die Sätze, die ich mir an diesen Tagen sage. Und obwohl es sehr oft funktioniert, fühlt es sich währenddessen doch irgendwie immer so an, als würde ich mich damit selbst belügen, und als würde ich mich damit um wertvolle Lebens- und Liebeszeit betrügen. 

Ich ertappe mich an diesen Tagen, wie ich Sehnsucht nach dieser „Normalität“ habe, wie ich sie mir bei ihm herbeisehne, wie ich mir diese absolute Sicherheit bezüglich seiner Gefühle für mich wünsche, und wie ich diese Ruhe, diese Gewissheit und dieses blinde Vertrauen im Umgang mit ihm brauche! Ich sehne mich nach einer gemeinsamen Zukunft und dem Sprechen darüber. Nach einem gemeinsamen natürlichen Lebensraum. Ich sehne mich nach seiner Entscheidung für mich als seiner Obergrenze. Ich sehne mich nach den Schritten, die dieser Entscheidung folgen. Und ich würde gerne endlich mit dieser Zukunft beginnen, die so offensichtlich, so wunderschön und so deutlich sichtbar und klar vor mir liegt! 

Ich sehne mich nach einer gemeinsamen, in „Normalität“ gelebten Gegenwart, auf Basis unserer persönlichen „Extravaganz“.

Es kann einen schon sehr quälen, wenn man selbst eine perfekte Zukunft mit dem anderen sieht, aber der andere mit einem nicht! Ich meine damit nicht die Zukunft, die einem die berühmte rosarote Brille zeigt! Denn diese Brille habe ich bereits vor längerer Zeit abgesetzt! Und es gibt sie ja auch, diese speziellen Konstellationen von „extravaganten“ Menschenpaaren, die für immer zusammen bleiben, ohne dabei das Gefühl zu haben, etwas zu verpassen. Diese Menschen scheinen irgendwie ewig ineinander verliebt zu sein! 

Und auch ich habe das Gefühl, trotz aller Enttäuschung, immer noch so verliebt in ihn zu sein wie am Anfang! Nicht, weil die Distanz zwischen uns es nicht möglich macht, diese Verliebtheit gebührend auszuleben bis sie weggeht. Sondern weil ich das Gefühl habe, dass sie bei ihm gar nicht weggehen kann! Eben weil es immer wieder Situationen geben wird, wo er Dinge auf ganz natürliche Weise besser macht als ich und umgekehrt – einfach weil er anders ist als ich. Genau das macht es spannend! Aber eben auch, weil es Situationen gibt, wo wir beide immer wieder intuitiv das Gleiche fühlen und den anderen blind verstehen werden, wo wir ganz automatisch das Gleiche wollen oder nicht wollen, und sich das dann schön und unglaublich vertraut anfühlt.  

Vor diesem Hintergrund stimmt für mich die Aussage „Normalität ist die Exzentrik von morgen!“ Denn bei dem ganzen „sich-abgrenzen-wollen“ und dem ganzen offen gelebten Individualismus der heutigen Zeit wirkt es doch wie Exzentrik, wenn man sich heraus nimmt, diese „Normalität“ als etwas Besonderes zu betrachten und sie auch noch freiwillig miteinander zu leben. Sie stimmt, wenn man einen Menschen gefunden hat, bei dem „Normalität“ keine Bedrohung oder Eingrenzung mehr ist, sondern eine Erweiterung der eigenen extravaganten Persönlichkeit darstellt. Eben ein bisschen gelebte „Normalität“ in einem Leben voller „Extavaganz“ und Individualität. Ein bisschen Einfachheit, Natürlichkeit, Gesundheit, Vertrautheit und Sicherheit, in diesem Leben voller Unsicherheit, Chaos und Willkür, in einem Leben voller „Alleine“ und „Ich-First“. 

Ich habe bei ihm zum ersten Mal keine Angst mehr vor „Normalität“! Denn jetzt ist sie für mich eine bewusste und freiwillige Entscheidung, eine Extravaganz die ich mir leiste, und kein von der Gesellschaft auferlegter und durch sie bestimmter Zwang oder Verhaltenskodex. Ich habe mich dazu entschieden, die „Normalität“ in mein „extravagantes“ Leben zu integrieren, und das einfach nur, weil sie so viel Schönes mit sich bringt, auf das ich einfach nicht verzichten möchte! 

Nur durch sie kann ich zusammen mit einem anderen Menschen diese Basis bilden, von der aus das gemeinsame restliche Leben wie ein „extravagantes“ Abenteuer wirkt, wie ein Leben voller neuer Möglichkeiten und gemeinsamer Erlebnisse, gegründet auf der Sicherheit und dem Vertrauen in diesen anderen Menschen, das sich nur aus einer bewussten Entscheidung für gelebte „Normalität“ ergibt! Ich kann dadurch ein Leben sehen, dass niemals langweilig sein wird, weil dieser Wechsel aus „sich-ergänzendem-Anders“ und „sich-blind-verstehendem-Gleich“ und eben auch dieser Wechsel aus „Extravaganz“ und „Normalität“ es einfach nicht zulassen würde, dass es überhaupt irgendwann langweilig werden kann!

Ich glaube diesen Menschen mit ihm gefunden haben! 
Ich denke, er (noch) nicht! 

Aber ich hoffe, dass er mich auch auf die selbe Weise irgendwann „finden“ und sich, aufgrund seiner persönlichen Erkenntnis, bewusst für mich und auch für eine gewisse „Normalität“ zwischen uns entscheiden wird, solange ich noch da bin! 

Vielleicht ist es nur ein Traum. 
Vielleicht hat es keine Chance! 
Vielleicht ist das alles auch nur in mir existent!
Ich weiß es nicht!  

Ich hoffe auch, das ist nicht das, was man unter „Liebe macht blind“ versteht, denn das wäre für mich wiederum zu „banal“ und zu sehr „Standard“, als das ich mich eigentlich damit identifizieren könnte! *schmunzel*

Nun, ich werde es erleben!
Und ihr dann ja vielleicht irgendwann lesen.

Bis wieder. 
Bis bald.

posted by
Die Nachdenkerin